2. Material und Methoden

Zur Durchführung dieser Arbeit wurde regelmäßig eine Primärkultur von Nervenzellen aus dem Tectum opticum des embryonalen Hühnchens angelegt. Die Zellen verschiedener Altersstadien wurden mit Hilfe der Patch-clamp-Technik in der Whole-cell-Konfiguration untersucht. Dabei wurden zunächst grundlegende elektrophysiologische Eigenschaften bestimmt und dann das GABAerge Rezeptorsystem näher charakterisiert. Die Unterscheidung von Glia- und Nervenzellen wurde anhand elektrophysiologischer Parameter vorgenommen, eine spezielle zellbiologische Methode wurde dafür nicht verwendet.

2.1 Anlegen von Primärkulturen aus dem Tectum opticum

Zur Kultivierung der Zellen aus dem Tectum opticum wurden Techniken verwendet, die eine Kultivierungsdauer bis zu vier Wochen erlaubten (Schirm, 1993; Schlosshauer & Dütting, 1991).

Material

Geräte:

Zentrifuge                                 Hettich: Universal 2S, Tuttlingen
Zellzähler Casy I                       Schärfe System, Reutlingen
Brutschrank                              Heraeus, Hanau
Eierbrutschrank                        Ehret, Emmendingen
Chemikalien:
DNAse                                     Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
Fötales Kälberserum                 Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
Medium F12                             Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
Glutamin                                  Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
HBSS-Puffer                            Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
Hühnerserum                           Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
Laminin                                    Sigma, Deisenhofen
Penicillin / Streptomycin            Gibco, Eggenstein-Leopoldshafen 1
(10.000 U / 100 µg / ml)
Poly-D-Lysin                            Boehringer Mannheim
(1 mg / ml)
Sonstiges:
Bruteier Hisex                          Weiss, Kirchberg / Iller
Deckgläser Ø 12 mm               Greiner, Nürtingen
Petrischalen Ø 60 mm              Greiner, Nürtingen
Kulturmedium:
Medium F12
+10 % Fötales Kälberserum
+2 % Hühnerserum
+2 mM Glutamin
+Penicillin (100U) / Streptomycin (100 µg / ml)


Vorbereitung
Die Kultivierung der Zellen erfolgte auf Deckgläsern (Ø 12 mm), was für die späteren Versuche eine einfache und flexible Handhabung erlaubte. Um eine Anheftung der Zellen zu ermöglichen, mußten die Deckgläser folgendermaßen vorbereitet werden:

Reinigung
Die Deckgläser wurden kurz in Aceton getaucht, abgeflammt und dreimal durch die Flamme gezogen, um ihre Oberfläche zu entfetten und zu reinigen. Je 5 Deckgläser wurden zusammen in eine Petrischale (Ø 12 mm) gebracht.

Poly-D-Lysin- / Laminin-Beschichtung
Die Deckgläser wurden mit je 50/µl Poly-D-Lysin (100/µg·ml-1) überdeckt und eine Stunde bei 37/°C im Brutschrank inkubiert. Anschließend wurde durch gleichzeitiges Spülen und Absaugen mit ca. 1/ml Aqua bidest gewaschen und eine Stunde luftgetrocknet.
Danach wurden die Deckgläser mit je 50/µl Laminin (50/µg·ml-1) bedeckt und über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt.

Präparation
Die befruchteten Eier wurden von der Firma Weiss bezogen und bei 8/°C gelagert. Die Bebrütung erfolgte in einem Eierbrutschrank der Firma Ehret (Emmendingen) bei 37/°C, wobei die Eier automatisch 8 mal pro Tag gewendet wurden. Zum Anlegen einer Primärkultur wurden Eier nach dem 7. und 8. Bruttag verwendet.

Vorbereitung des Embryos
Zur Präparation wurde das Ei mit dem stumpfen Ende nach oben in einen Eierbecher gestellt und mit 70 % Ethanol gereinigt. Die Schale wurde mit einer Pinzette geöffnet und der Embryo in HBSS-Puffer überführt. Daraufhin wurden Kopf- und Rumpfteil getrennt. Das Tectum opticum war normalerweise deutlich als Wölbung hinter dem Vorderhirn zu erkennen und konnte mit einer Pinzette leicht abgetrennt werden. Anschließend mußten die Hirnhäute (unter dem Binokular) entfernt werden.

Zellvereinzelung
Das gesamte Tectum wurde zur enzymatischen Andauung in 2/ml Trypsin (1/mg·ml-1) aufgenommen und zunächst 15/min bei Raumtemperatur, anschließend 15/min bei 37/°C inkubiert. Der Überstand wurde abgesaugt und das Tectum dreimal mit kaltem HBSS-Puffer gewaschen. Das in seiner Form immer noch erhaltene Tectum wurde nach dem Absetzen in 2/ml Kulturmedium und 100/µl DNase (0,5/mg·ml-1) aufgenommen und 5/min bei 37/°C inkubiert. Anschließend wurden die Zellen durch mehrmaliges Aufsaugen in eine Pipettenspitze mechanisch vereinzelt.

Zählung / Aussaat
Von dieser Zellsuspension wurden 1,5/ml auf 8,5/ml Kulturmedium überschichtet und 3/min bei 1200/U·min-1 zentrifugiert. Der Überstand wurde verworfen und das Pellet in 2/ml Kulturmedium resuspendiert. Die Zellen wurden automatisch gezählt (Fa. Schärfe System / Casy I) und mit einer Dichte von 100.000 bis 150.000 Zellen pro Deckglas (113/mm2) in 50/µl Kulturmedium ausgesät. Nach drei Stunden im Brutschrank wurden die Petrischalen mit 6/ml Kulturmedium geflutet.

Kultivierung
Je sechs Petrischalen einer Präparation wurden im Brutschrank bei 37/°C, 5 % CO2 und 96/% relativer Luftfeuchtigkeit bis zu 28/Tage kultiviert. Alle 2 bis 3/Tage wurde das Kulturmedium zu 50 % ausgetauscht.

2.2 Meßtechnische Voraussetzungen

Die Patch-clamp-Technik ermöglicht es, bei kleinen Zellen (Ø/</20/µm) Ionenströme durch ihre Membranen zu messen. Mit einer konventionellen Ableittechnik würden solche Zellen bei einer Penetration stark verletzt werden, und das Signal///Rausch-Verhältnis wäre aufgrund der zur Penetration notwendigen hochohmigen Elektrode stark eingeschränkt.
Inzwischen gibt es eine ganze Anzahl von Ableitkonfigurationen, die sich von der Patch-clamp-Technik herleiten (Penner, 1995). Die Voraussetzung für sämtliche Konfigurationen ist, daß zwischen der auf die Zelle aufgesetzten Glaspipette und der Zellmembran ein im Gigaohm-Bereich liegender Abdichtwiderstand ("GW-Seal") zustande kommt. Die dazu notwendige Technik wurde Anfang der 80er Jahre beschrieben (Hamill et al., 1981).

2.2.1 Patch-clamp-Messungen in der Whole-cell-Konfiguration

Spannungsklemme
In der Whole-cell-Konfiguration wird das durch die Glaspipette eingegrenzte Membranareal zerstört und so der elektrische Kontakt zum Zellinneren hergestellt.
Zur Messung der Membranströme muß die Membranspannung der Zelle auf einen definierten Wert, das Haltepotential, festgelegt werden. Der zur Einhaltung dieser Spannung notwendige Kompensationsstrom wird von der Meßapparatur geliefert (Spannungsklemme, "voltage-clamp"). Er gibt invers die Summe der Ströme durch sämtliche geöffneten Ionenkanäle in der Zellmembran wieder und wird als eigentlicher Meßstrom verstärkt und weiterverarbeitet (Abb. 2).
 

Abb. 2: Vereinfachtes Ersatzschaltbild einer Spannungsklemme. Fließt über die Zelle (und die Pipette) ein Strom IP, so tritt eine Differenz zwischen dem Haltepotential VH und dem Pipettenpotential VP auf, die an den Eingängen des Verstärkers anliegt. Dadurch wird das Potential VV am Verstärker-ausgang geregelt, der Verstärker fungiert als spannungsgesteuerte Spannungsquelle. VV fällt über den Meßwiderstand R auf VP ab, um IP nachzuliefern. Aus der Differenzspannung VA = VV - VH läßt sich dann indirekt der Pipettenstrom IP berechnen.


Membranströme können z.B. durch eine Änderung des Haltepotentials ausgelöst werden, wobei sich spannungsgesteuerte Ionenkanäle öffnen. Eine andere Möglichkeit ist die Applikation von Substanzen, die an spezifische Rezeptoren der Zellmembran binden und dabei einen Strom durch ligandengesteuerte Kanäle induzieren. Die Qualität einer Spannungsklemme hängt stark von der Form der untersuchten Zelle ab. Besitzt sie weit verzweigte Ausläufer, kann das Haltepotential nicht an allen Membranarealen gleich gut eingehalten werden.

Elektrische Parameter
Bei der Durchführung von Patch-clamp-Experimenten müssen einige elektrische Parameter beachtet werden (Abb. 3). Der Abdichtwiderstand RSeal sollte mehrere GW betragen. Der Zugriffswiderstand zur Zelle RSer muß möglichst klein sein, um einen geringen Abfall des Signals an dieser Stelle zu gewährleisten. RSer beträgt ca. das Doppelte des Pipettenwiderstands in freier Badlösung.
Um Membranströme bei einer schnellen Änderung des Membranpotentials messen zu können, müssen die hierbei auftretenden kapazitiven Ströme, die den Verstärker in die Sättigung treiben würden, kompensiert werden. Die wichtigsten Quellen solcher Ströme sind die Pipettenkapazität CPip und die Membrankapazität cm. Der Abgleich der Größen RSer, CPip und cm kann direkt am EPC-7 Verstärker vorgenommen werden.
 

Abb. 3: Elektrische Parameter, die bei Patch-clamp-Messungen in der Wole-cell-Konfiguration beachtet werden müssen: (Seal-) Abdichtwiderstand RSeal, (Serien-) Zugriffswiderstand RSer, (Membran-) Eingangswiderstand rm, Membranpotential Vm, Pipettenpotential VP, Membran-kapazität cm und Pipettenkapazität CPip.


Fehlerpotentiale
An der Grenze zwischen Lösungen unterschiedlicher Ionenzusammensetzung tritt ein "liquid-junction"-Potential auf (Barry, 1994; Ng & Barry, 1995). Da die intrazelluläre Lösung in einer Patch-Pipette normalerweise von der Badlösung verschieden ist, führt dies ebenfalls zu einem solchen Fehlerpotential. Bei der Korrektur muß berücksichtigt werden, daß es nur bei der Annäherung an eine Zelle auftritt und nach der Bildung eines Seals, und damit auch in der Whole-cell-Konfiguration, wegfällt. Das Potential konnte für die verwendeten Standardlösungen näherungsweise berechnet werden und betrug ca. +4 mV. Ein mögliches Donnan-Potential im Verlauf einer Ableitung wurde nicht korrigiert.

Material

Geräte:

Mikroskop Axiovert 35 Zeiss, Oberkochen
Verstärker EPC-7 List, Darmstadt
Oszilloskop 1602 Gould, Seligenstadt
Analogfilter npi, Tamm
Mikromanipulatoren Luigs & Neumann, Ratingen
Piezoelement Luigs & Neumann, Ratingen
Überdruckpumpen Lorenz, Göttingen
Doppelkolbenpumpe Adams & List Assoc., New York
Patch-clamp-Steuerung TIDA 5.74 Battelle, Frankfurt
DMZ Universal Puller Zeitz, Augsburg
Glaskapillaren GC150-10 Science Products, Frankfurt
Monitor PVM 122 CE Sony, München
7-Kanal-Perfusionsnadel NMI, Reutlingen
Magnetventile Sirai, Italien


Chemikalien:

Bicucullin ((-)-Bicucullin Methchlorid) RBI (Biotrend, Köln)
Dimethyldichlorosilan Sigma, Deisenhofen
GABA (g-Amino-Buttersäure) Sigma, Deisenhofen
Glucose Merck, Darmstadt
Glycin Merck, Darmstadt
Kainat Sigma, Deisenhofen
Methylenchlorid Sigma, Deisenhofen
Mg-ATP Sigma, Deisenhofen
Pentobarbital Sigma, Deisenhofen
Picrotoxin RBI (Biotrend, Köln)
Strychnin Hydrochlorid RBI (Biotrend, Köln)


Datenaufnahme und -verarbeitung:

Tida für Windows 2.63 Battelle, Frankfurt
Sigmaplot 2.0 Jandel Corp.
Excel 5.0 Microsoft Corp.
DataCheck Eigene Programmierung mit:
Borland Pascal 7.0 Borland International, Inc.


Zusammensetzung der verwendeten Lösungen (Konzentrationen in mM·l-1; pH 7,4):

Standardbadpuffer
140 NaCl, 10 Glucose, 3 KCl, 1 CaCl2, 10 HEPES
Badpuffer mit reduziertem Chloridgehalt
30 NaCl, 110 Na-Propionat, 3 KCl, 1 CaCl2, 10 HEPES
Standardpipettenlösung
140 KCl, 10 HEPES, 5 EGTA, 1 CaCl2, 1 MgCl2
Pipettenlösung bei Messung des Chlorid-Umkehrpotentials
100 CsCl, 20 TEA-Cl, 10 HEPES, 5 MgCl2, 0,5 EGTA


2.2.2 Vorbereitung und Ablauf der Messungen

Badkammer
Für die Experimente wurde jeweils ein Deckglas mit unterschiedlich lange kultivierten Tectumneuronen in eine Badkammer aus Plexiglas (Ø 35/mm) überführt. Frische Badlösung wurde permanent mit einer Rate von 2/ml/·/min-1 zugeführt; mit Hilfe einer Überlaufabsaugung wurde das Badvolumen bei ca. 1,8/ml gehalten. Daraus ergibt sich für das Auswaschen einer Substanz eine Halbwertszeit von mindestens 45 s. Alle Messungen wurden bei Raumtemperatur durchgeführt.

Ableitelektroden
Zur Herstellung der Pipetten wurden filamentfreie Kapillaren aus Borosilikatglas (Ø außen / innen = 1,5 / 1,05/mm) auf einem DMZ- Universalpuller in einem dreistufigen Prozeß ausgezogen. Die Befüllung der Spitze mit intrazellulärer Lösung erfolgte zunächst von vorne durch Anlegen eines Unterdrucks, dann von hinten über einen Microloader. Anschließend wurde die Pipettenspitze in Dimethyldichlorosilan getaucht (2 % in Methylenchlorid), um die Bildung eines Gigaseals zu erleichtern.
Über einen Silberdraht, der bei 1 - 1,5/V in einer 1/M KCl-Lösung chloriert wurde, wurde die Elektrolytlösung in den Pipetten mit den nachfolgenden Wandler- und Verstärkerschaltkreisen verbunden. Als Referenzelektrode diente ein direkt in den Badpuffer eingetauchter chlorierter Silberdraht. Bei den Messungen wird der in den Lösungen durch Chloridionen getragene Strom in einen Elektronenstrom umgewandelt, gemäß der Gleichung: .
Die Osmolarität der intra- und extrazellulären Lösungen wurde mit einem Osmometer kontrolliert (310 mosm), um ein Anschwellen oder Schrumpfen der Zellen verhindern zu können.

Herstellung der Whole-cell-Konfiguration
Die Pipette wurde über einen Teflonhalter direkt am Vorverstärker befestigt, der auf einem piezoelektrischen Mikromanipulator montiert war. Um eine Verunreinigung der Pipettenspitze zu vermeiden, wurde vor dem Eintauchen in die Badlösung ein Überdruck von ca. 7/cm H2O angelegt. Sie wurde durch Grobtriebe manuell in die Nähe der Zelle gebracht und anschließend piezoelektrisch an die Zelloberfläche herangeführt (beide Manipulatoren 3-achsig). Der Pipettenwiderstand betrug in freier Badlösung 1 bis 3 MW. Kurz vor dem Aufsetzen auf die Membran erhöhte sich der Pipettenwiderstand um 20-50 %, dies wurde durch fortlaufend an der Pipette angelegte negative Rechteckspannungen von 2/mV Amplitude sichtbar gemacht und am Oszilloskop mitverfolgt. Hierauf wurde der Überdruck langsam durch einen Saugdruck von 5 bis 10/cm H2O ersetzt, was in über 90 % der Fälle zu einem Abdichtwiderstand RSeal > 5/GW führte. Nach Erreichen dieser als "cell-attached" bezeichneten Konfiguration wurde zunächst ein Haltepotential von -70/mV eingestellt und dann durch wiederholte starke Saugstöße das unter der Pipettenspitze liegende Membranareal zerstört.

Meßdatenaufnahme
Die Meßdaten wurden durch einen Analog / Digital-Wandler mit einer Auflösung von 16 Bit (4096 Punkte im Meßbereich) digitalisiert und vom gleichen Computer aufgezeichnet, der auch die Steuerung der Substanzzugabe übernahm. Die Digitalisierungsrate betrug bei den Messungen der ligandenaktivierten Whole-cell-Ströme 400/Hz. Bei den depolarisierenden Spannungssprüngen zur Identifizierung der Nervenzellen und bei den Messungen des Membranpotentials betrug sie 20/kHz.
Bei sämtlichen Messungen wurde zwischen Verstärker und dem Analog / Digital-Wandler des aufnehmenden Computers ein Analogfilter (8-Pol Bessel, Abfall 48/dB///Oktave) geschaltet.

2.2.3 Perfusionssystem für Testsubstanzen

Die Testsubstanzen wurden über eine am NMI entwickelte computergesteuerte 7-Kanal-Perfusionsnadel (Stahl, 1995) an die jeweils zu messende Zelle herangeführt (Abb. 4). Sie wurde mit Hilfe von Mikromanipulatoren in einem Abstand von ca. 100/µm vor der untersuchten Zelle positioniert. Eine Absaugnadel zur schnellen Entfernung der Testsubstanzen befand sich 200-300/µm hinter der Zelle. Zwischen diesem Zu- und Ablauf bildete sich ein eng umgrenzter Fließkegel, dessen Ausdehnung durch den Zusatz von Farbstoffen kontrolliert werden konnte. Dies wurde jedoch nur zu Beginn der Untersuchungen gemacht, da die räumliche Konfiguration des Zu- und Ablaufs bei jedem Experiment gleich eingestellt wurde und damit auch der Fließkegel praktisch immer die gleiche Form hatte. Durch diese Anordung konnte eine weiträumige Kontamination der Badkammer mit Testlösungen verhindert und eine Zellcharge über einen längeren Zeitraum verwendet werden.
 

Abb. 4: Schema der Meßkonfiguration und des Perfusionssystems für Testsubstanzen.


Die Substanzaustauschzeiten dieses Systems wurden über Änderungen des "liquid-junction"-Potentials bei variabler Ionenzusammensetzung der Perfusionslösung getestet und lagen bei 1-5/ms. Die "optimierte Perfusion" (Stahl, 1995) mit Austauschzeiten unter 1/ms wurde nicht eingesetzt, da einerseits ein zusätzlicher Kanal für die Absaugung benötigt worden wäre und andererseits die konventionell erreichte Anflutungsgeschwindigkeit für die geplanten Messungen ausreichend war. Dies konnte durch einen Vergleich der Zellmembranströme gezeigt werden, die von unterschiedlichen Substanzen ausgelöst wurden. Als Vergleichskriterium dienten vor allem die unter Standardbedingungen durch AMPA und Kainat induzierten Ströme.
Die Substanzzugabe erfolgte zunächst über Schwerkraft und wurde durch Magnetventile gesteuert. Diese konnten über ein Reizprogramm innerhalb des Meßdatenaufnahmeprogramms zu genau definierten Zeiten betätigt werden. Später war es möglich, auf die Vorratsgefäße der Substanzen einen Druck von bis zu 100/cm H2O zu geben, um ein konstantes Anfluten zu gewährleisten.

2.4 Datenauswertung

2.4.1 Dosis-Wirkungs-Kurven

Die Abhängigkeit der Amplitude des Membranstroms von der Agonisten- (z.B. GABA, Glycin) bzw. Antagonistenkonzentration wurde mit Hilfe von Dosis-Wirkungs-Kurven untersucht. Hierzu werden bei unterschiedlichen Konzentrationen die Amplituden der induzierten Ströme bestimmt und die Werte durch eine logistische Funktion der folgenden Form angenähert:

. (1)

IMax bezeichnet den maximal induzierbaren Strom, [A] die verwendete Agonisten- bzw. Antagonistenkonzentration und n den Hillkoeffizienten als Maß der Kurvensteigung. EC50 ist bei einer Agonisten-Dosis-Wirkungs-Kurve die Konzentration, bei der 50 % des maximalen Stromes erreicht wird (Abb. 5). Um die Messungen von Zellen mit verschiedenen absoluten Amplituden vergleichen zu können, werden die Ströme I und IMax auf den bei einer sättigenden Konzentration gemessenen maximalen Strom normiert (bei GABA ³/200/µM, bei Glycin ³/400/µM). Zur Bestimmung der gesuchten Parameter IMax, EC50 und n stand das Programm SigmaPlot zur Verfügung. Bei der Dosis-Wirkungs-Kurve eines Antagonisten, die auch als Hemmkurve bezeichnet und bei einer konstanten Agonistenkonzentration gemessen wird, kann entsprechend dem Parameter EC50 in Gl. (1) ein IC50-Wert ermittelt werden. Die Steigung n der Kurve ist in diesem Fall negativ.
 

Abb. 5: Veranschaulichung der verschiedenen Parameter von Dosis-Wirkungs-Kurven: obere Asymptote IMax, Steigung n, halbmaximal effektive Konzentrationen EC50 bzw. IC50. Die Hemmkurve bezieht sich auf einen Strom, der durch eine konstante Agonisten-konzentration hervorgerufen wird.


Verschiedene Agonisten bzw. Antagonisten binden an einen Rezeptor mit unterschiedlicher Affinität; ein Maß dafür sind die Affinitätskonstanten Kd bzw. Ki. Bei einer Agonistenkonzentration von Kd bzw. einer Antagonistenkonzentration von Ki ist die Hälfte der Rezeptoren durch die betreffende Substanz gebunden. Wenn dabei auch die halbmaximale Reaktion der Zelle beobachtet werden kann, ist der Kd-Wert (Ki) mit dem EC50-Wert (IC50) identisch, was nicht immer der Fall sein muß.
Können jedoch Kd und EC50 gleichgesetzt werden, ergibt sich Kd sofort aus der Bestimmung einer einfachen Agonisten-Dosis-Wirkungs-Kurve. Ki kann nicht auf eine ähnliche Weise direkt aus dem IC50-Wert bestimmt werden, da die Antagonistenwirkung nur in Zusammenhang mit dem Agonisten untersucht werden kann. Der IC50-Wert ist - im Gegensatz zu Ki - von der verwendeten Agonistenkonzentration abhängig.

2.4.2 Hemmstoffe

Die umfassendste Methode zur Untersuchung einer Antagonistenwirkung stellt die Schild-Analyse dar. Dabei werden mehrere Dosis-Wirkungs-Kurven des Agonisten bei unterschiedlichen Antagonistenkonzentrationen [B] bestimmt. Die EC50-Werte der nach rechts verschobenen Kurven werden auf den EC50-Wert der Agonisten-Dosis-Wirkungs-Kurve ohne Antagonisteneinfluß bezogen; dieser Verhältniswert wird als dose ratio (DR) bezeichnet (Abb. 6).
 

Abb. 6: Der Wert der „dose-ratio“ (DR) wird bestimmt, indem der EC50-Wert der Dosis-Wirkungs-Kurve mit dem Antagonisten (normale Linie) durch den EC50-Wert der unbeeinflußten Dosis-Wirkungs-Kurve (fette Linie) geteilt wird. Die Affinitätskonstante Ki kann aus der Antagonistenkonzentation [B] und dem DR-Wert berechnet werden.


Der Ki-Wert ist jene Konzentration, bei der eine Verschiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve um DR/=/2 nach rechts stattfindet, d.h., der EC50-Wert steigt auf das Doppelte. Dies kommt auch in der Gaddum-Schild-Gleichung zum Ausdruck:

. (2)

Eine Darstellung der DR-Werte in Abhängigkeit der Antagonistenkonzentration [B] (Schild-Plot) erlaubt sowohl eine Aussage über den Wirkungsmechanismus (kompetitiv / nicht-kompetitiv) als auch die Bestimmung von Ki, was nur bei kompetitiven Antagonisten sinnvoll ist.
Eine andere Untersuchungsmöglichkeit besteht darin, die Dosis-Wirkungs-Kurve des Antagonisten (Hemmkurve, Abb. 5) bei einer festgelegten Agonistenkonzentration zu bestimmen. Dabei werden die Amplituden bei einer gleichzeitigen Applikation des Agonisten / Antagonisten auf ein Kontrollexperiment ohne Antagonisten bezogen. Diese Methode findet in solchen Fällen Anwendung, in denen aus technischen oder zeitlichen Gründen, oder z.B. durch begrenzte Verfügbarkeit der Substanzen, der verhältnismäßig hohe meßtechnische Aufwand der Schild-Analyse nicht betrieben werden kann.
Dennoch kann in Fällen, in denen ein kompetitiver Mechanismus vorausgesetzt werden darf, aus solchen Experimenten der Ki-Wert ermittelt werden. Dazu wurde bisher häufig eine Formel der Form

(3)

verwendet, die ursprünglich für Enzymbindungsstudien entwickelt wurde (Cheng & Prusoff, 1973). Hier bezeichnet [A] die bei der Hemmkurve konstant gehaltene Agonistenkonzentration. In jüngerer Zeit wurde gezeigt, daß bei funktionellen Experimenten Kd durch EC50 zu ersetzen ist (Craig, 1993) und weiterhin der Ki-Wert auch von der Steigung der Agonisten-Dosis-Wirkungs-Kurve, also vom Hillkoeffizienten abhängt. Es ergibt sich aus diesen Überlegungen (Leff & Dougall, 1993):

. (4)

Diese modifizierte Cheng-Prusoff-Formel wurde auch in der vorliegenden Arbeit verwendet. Neben ihr gibt es noch weitere Methoden zur Analyse von Hemmkurven (Lazareno & Birdsall, 1993).